20. Juli  Chifeng - Chende
Nach einem kurzen Meeting fahren wir um 9 Uhr los. Es stehen uns zwei verschiedene Routen zur Auswahl: a) die schnelle und bequeme über die neue G45 Autobahn, ca. 250 km lang, oder b) die alte Landstrasse, welche etwa 50 km weiter ist und wo möglicherweise viele Baustellen anzutreffen sind. Ich entscheide mich für die G45. Michael schliesst sich mir an und so fahren wir los.
Vor einem Jahr hat diese Autobahn noch nicht bestanden und erstaunlich wenige Fahrzeuge sind hier unterwegs. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass man an mehreren Stellen Maut bezahlen muss. Für uns sind die nicht mal 100 Yuen ein Pappenstiel wenn man vergleicht, wieviel man in Frankreich oder Italien bezahlen muss.

Wir durchfahren eine Gegend mit vielen angebauten Feldern. Das meiste was wir von der Strasse aus sehen sind Maisfelder. Interessanterweise sind diese zu verschiedenen Zeiten angepflanzt worden da sie unterschiedlich hoch stehen. Am Abend erfahren wir, dass es hier 2 Maisernten pro Jahr gibt, die erste im Juli, die zweite dann im August/September.
Besonders interessant sind die chinesischen Informationstafeln entlang der Autobahn. Nur selten sind die Städtenamen auch in lateinischer Schrift angeschrieben. Sollte einmal Zweifel an der Richtigkeit der Route aufkommen, besonders jetzt, wo das Navi diese Autobahn noch nicht kennt, dann müsste man die Schriftzeichen mit denen im Autoatlas vergleichen.
Überrascht bin ich von den fortschritlichen Informationsmedien. Grosse Led-Schrifttafeln informieren in roter und grüner Schrift über die aktelle Verkehrslage.

Wir kommen an einigen grosszügigen Raststellen vorbei, verpassen aber die Erste und die Zweite ist noch nicht eröffnet. Bei der Dritten halten wir dann an um einen Blick ins Innere zu werfen. Aber auch hier ist noch nichts fertig. In der Mitte des grossen Raumes steht lediglich ein Drahtgestell in welchem sich Nudelsuppenbehälter befinden, zu welchen man aus Thermoskrügen heisses Wasser bekommt (will ich nächstens auch mal versuchen). Lässt man den Kübel ein paar Minuten stehen, werden die Nudeln weich und man kann sie schlürfen - richtig gelesen: schlürfen!
Ich beobachte ein älteres Paar, welches auf kleinen Hockern am Fenster sitzt, mit den Nudelboxen auf dem Radiator, essend und wie selbstverständlich um sich blickend.
Nebst dem Schlürfen wir auch immer noch gespuckt. Auf einmal hört man hinter sich wieder, wie einer oder eine "Einen" geräuschvoll heraufholt und dann auf den Boden spuckt. Yong Zhi erklärt uns, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis dies aufhören würde. Von den Jungen würde dieser "Sport" nur noch selten gepflegt!

Immer wenn wir irgendwo aussteigen, sind wir für viele Chinesen die ersten Langnasen, welche sie ausser im TV zu Gesicht bekommen. Oft wird man angestarrt oder fotografiert, so auch hier.

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Auf unserem weiteren Weg sehen wir eine Infotafel welche auf eine Tempelanlage hinweist. Wir verlassen die Autobahn, bezahlen die Maut und fahren durch das Dorf zum grossen Parkplatz vor dem Tempel. Gleich sind wir wieder umringt und es geht wieder um Fotos mit uns und mit den WoMos. Besonders Michaels grosser Bus erregt viel Aufmerksamkeit. Manch einer reckt den Hals und versucht einen Blick ins Innere zu erhaschen. Lässt man dann noch die Treppe ausgefahren, findet sich bestimmt ein Dreister, welcher hineinsteigt. Also: immer Treppe einfahren und Fliegengitter schliessen!

Die Tempelanlage ist sehr weitläufig und wir lassen uns viel Zeit zur Besichtigung. In China sind nur etwa 5% der Bevölkerung buddhistisch, die übrigen sind konfessionslos. Trotzdem interessieren sich viele chinesische Touristen (andere gibt es hier so gut wie nie) für die buddhistischen Tempel. Im Vergleich mit den russisch-orthodoxen Kirchen und den Moscheen gefallen mir diese hier viel besser,

Auf dem Rückweg zur Autobahn machen wir noch Halt im Dorf um etwas Gemüse und Früchte zu kaufen. Dann gehts weiter Richtung Chengde.
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Am Ende der Autobahnausfahrt erwartet uns Arthur, um uns den komplizierten Weg zum Hotel zu erklären. Dann fahren wir den Hügel hoch, und nach 2 km, als wir längst nicht mehr sicher waren, ob wir die richtige Abzweigung genommen haben, taucht plötzlich das Hotel auf. Der Platz ist etwas eng, wir haben kaum 2 Meter Abstand zwischen den Wagen, dafür ist das Wasser gut.
Das gemeinsame Nachtessen im Anbau des Hotels, jeweils wieder 10 an einem runden Tisch, ist ausgezeichnet.

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21.07.2015  Chengde
Es ist 04.15 und ich wache auf, weil leichter Regen aufs Dach klopft. Ich stehe auf und nehme die ausgestellten Kippfenster etwas hinein und schliesse die Dachlucke. Kaum bin ich wieder eingeschlafen, werde ich durch Blitz und Donner und starken Regenfall geweckt. Das heftige Gewitter hält bis etwa 7 Uhr an, und die Gemüsebeete hinter dem WoMo stehen im Wasser. Es dauert nicht lang und die angenehme Kühle nach dem Regen weicht einer unangenehmen Schwüle.

Um 8.30 werden wir zur Tempelexkursion abgeholt.
Zuerst besuchen wir den Putuo-Zongcheng-Tempel. Während zwei Stunden erklärt uns Yong Zhi vieles über den Buddhismus, dessen Bedeutung in der heutigen Gesellschaft und über die Entstehung der Tempel. Es war zwar interessant, aber die etwa 8 Stockwerke hoch, besonders bei der feuchten Hitze,  war sehr anstrengend. Die letzte halbe Stunde verbringe ich mit dem Beobachten der Menschen, welche mich beobachten.
Dann geht es mit dem Bus für 10 Minuten zur nächsten Anlage. Im Gegensatz zur vorherigen Anlage ist diese in bedeutend besserem Zustand.
Von Weitem sticht mir Rauch in die Nase. Neugierig geworden steige ich dem nach und sehe auf dem Innenhof der Tempelanlage, wie Gläubige bündelweise farbige Holzstäbchen kaufen, diese an einem der Feuerstellen anzünden und sich dann mit den rauchenden Hölzern mehrmals und immer wieder vor dem Tempel verbeugen. Bevor sie weggehen stecken sie die Bündel in eine grosse Wanne, welche bis oben hin mit Asche abgebrannter Stäbe gefüllt ist. Diese Bündel werden gleich nebenan verkauft und sie finden regen Zuspruch.

Inzwischen wirklich schlapp geworden setze ich mich ausserhalb der Anlage auf eine Mauer und warte. Bald gesellen sich andere unserer Gruppe dazu.
Um 13 Uhr erscheint der Bus wieder und wir fahren ins Stadtzentrum, um wiederum chinesisch zu essen. Noch machen fast alle mit. Ob in 2 Wochen immer noch so viele scharf auf dieses, für mich schmackhafte Essen, sind bleibt vorerst offen.  Beim Betreten des Lokals finden wir alle Tische besetzt und die meisten blicken auf, um zu sehen, wer da kommt. Für uns ist im 3. Stock gedeckt (für die Chinesen ist das Erdgeschoss die erste Etage).
Auch hier, im besten Lokal der Stadt, wird wieder reichlich aufgetragen. Nebst dem bekanntermassen klebrigen Reis werden 10 grosse Platten mit den verschiedensten Speisen aufgetragen, besonders interessant ist eine Teigwarenart, welche mit schwarzen Pilzen gefüllt ist. Alles ist unterschiedlich scharf und so findet jeder am Tisch etwas das im besonders schmeckt. Der Preis ist ebenfalls sagenhaft: 60 Yuen, also etwa Fr. 6.-.

Nach einem kurzen Abstecher in ein Shopping-Center sind alle froh, wieder auf dem Platz zu sein.
Inzwischen ist etwas Wind aufgekommen und der angenehme Abend, bei knapp 30° motiviert zum Schreiben.
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Noch etwas zur chinesischen Reiseleitung:
Nebst unseren Reiseleitern Arthur und Artem stehen uns für die ganze Zeit in China noch zwei lokale Reiseleiter zur Verfügung. Über Yong Zhi habe ich bereits geschrieben. Ihm zur Seite steht Frau Zhang, später auch Laura genannt.
Frau Zhang spricht gut deutsch, hat aber keine touristische Ausbildung. Ihr Mann ist Unternehmer und wohlhabend. Seine Frau, Laura, wollte schon seit langer Zeit einmal das Leben im Wohnmobil kennen lernen. Jetzt bekommt sie die Gelegenheit und wird auch mit vielfältigen organisatorischen Aufgaben betraut. Sie wohnt und fährt zusammen mit Artem im Pössl, dem kleineren Begleitfahrzeug.

Das Reisen für westliche Touristen ist im Alleingang kaum möglich. Die Vorschriften lauten, dass in jedem Fahrzeug ein von der Regierung bestimmter Begleiter mitfahren muss. Diesem ist am Standort jeweils ein Hotelzimmer zu bezahlen, was bedeutet, dass "wildes" Campieren kaum möglich ist, es sei denn, man wolle das WoMo auch bei Nacht mit dem Aufpasser teilen.
Aufpasser ist das richtige Wort. Er hat die Aufgabe, dass man die beantragte und freigegebene Route nicht verlässt. Dazu kommt noch, dass das auch noch recht teuer zu stehen kommt. Allein die Bewilligung für Individualreisende mit Auto soll mehrere Tausend Euro kosten. Anders sieht es allerdings aus, wenn man mit Bahn, Flugzeug, Velo Rischka, Tuk-Tuk oder Taxi reisen würde. Dann ginge das ohne Begleiter. Man wäre dann aber selbst verantwortlich dafür, dass man sich in kein militärisches Sperrgebiet verirrt.

Um die Bewilligung für Gruppenreisen im WoMo zu bekommen, habe es jahrelange Arbeit gebraucht bis es dann endlich möglich wurde. Unsere Gruppe gilt nun als eine Reiseeinheit, gerade so wie ein einzelnes Fahrzeug. Die Auflagen sind aber denoch da. Die Routen müssen bewilligt werden und ein Abweichen davon wird nicht toleriert. Zudem muss im ersten  und im letzten Fahrzeug eine chinesisch sprechende Person mitreisen. Das sind Laura und Yong Zhi.
Sollte eines unserer Fahrzeuge einen Unfall haben oder auch lediglich von der Polizei angehalten und kontrolliert werden, muss der Fahrer eines der Begleitfahrzeuge anrufen, damit dieses zur Stelle kommt.

So streng sind die Auflagen. Yong Zhi ist einerseits ein vom Staat verpflichteter Begleiter, der die Auflagen durchsetzen muss, andererseits ist er ein langjähriger Freund von Arthur. Dies ist die siebte Reise welche er begleitet. Er hat somit die Aufgabe einen Spagat zwischen Pflicht und Freude zu machen, was ihm aber gut gelingt.

Konkret heisst das, dass das erste Fahrzeug zB. um 7 Uhr losfährt und bis sich dann das letzte um 11 oder 12 Uhr auf die Reise begibt, alle anderen Fahrzeuge unterwegs sein müssen.